Fortbildungspunkte: Warum nur die Hälfte?

Im Dezember 2020 verteilte dbl, dba und dbs den abgeschlos­senen Versorgungs­vertrag mit dem GKV-Spitzen­verband an alle Mitglieder. Dem Vertrag – mit fünf Anlagen und drei Anhängen wurde aber nicht von allen Berufs­verbänden zugestimmt, und es kam zu einem Schiedsverfahren. Die Diskus­sionen galten grund­sätzlich den Vergütungen. Dennoch wurden einige treffende Regelungen bezüglich Online-Fortbil­dungen etabliert.

Kurz zusammen­gefasst sind sie folgende:

  1. Man darf Fortbildungs­punkte für Online-Seminare vergeben.
  2. Online-Seminare müssen genau die selben Bedingungen wie die Präsenz-Seminare erfüllen.
  3. Alle Online-Seminare müssen live und interaktiv sein. Alle Teilnehmer müssen von allen sichtbar und hörbar sein. Alle müssen vor dem Seminar mit Namen angemeldet sein.
  4. Bei Präsenz-Seminaren darf die Referentin 1 Fort­bildungs­punkt für 45 Minuten vergeben.
  5. Bei Online-Seminaren darf die Referentin 1 Fort­bildungs­punkt für 90 Minuten vergeben.
  6. Nicht mehr als die Hälfte der gesamten Fort­bildungs­punkte dürfen von Online-Seminaren und -Veranstaltungen sein.

Da stand es: Für Online-Seminare bekommt man die Hälfte der Fort­bildungs­punkte. Nirgendwo konnte ich eine Erklärung finden. Auch wenn es nicht direkt gesagt wurde, impliziert diese Vergebung der Fort­bildungs­punkte, dass Online-Fort­bildungen nur halb so viel wert wie Präsenz-Seminare sind.

Es ist uner­klärlich, warum die Online-Version einer Fort­bildung von der gleichen Refe­rentin mit dem gleichen Inhalt nur halb so viel wert ist, wie die Präsenz-Version. In der Coronazeit haben viele Referen­tinnen und Referenten uns einen großen Gefallen getan, indem sie sich die Mühe gemacht haben, ihre Präsen­tationen für ein Online-Medium zu adap­tieren. Gegen Ende 2020 haben sich einige Teilnehmerinnen bei mir bedankt, dass ich meine Seminare durchgeführt habe. Alle Präsenz-Seminare wurden abgesagt.

Das Virtuelle Institut für Neuro­lingu­istik wurde als Stütz­punkt für alle Sprach­therapeuten, die neurologische Patienten behandeln, gegründet. Die Qualität unserer Fort­bildungen sowie unserer Therapie­materialien und unserer Beratung hat die höchste Priorität.

Zu meinen eigenen Quali­fikationen zählen ein Doktortitel in Neuro­linguistik von der Universität Boston, 35 Jahre Erfahrung als Dozentin, Forscherin und Sprach­therapeutin. Ich bin eine Humboldt-Stipendiatin und Mitglied in GAB, DGNKN, dbs und Evidenzbasierte Medizin. Ich habe Artikel über Text­verarbei­tung, Kohäsion, Kohärenz, und Agramma­tismus in u.a. Brain and Language, in Cortex und in Journal of Neuropsychology veröffentlicht, und ich bin Co-Autor von ArtikuList (NAT-Betke et al., 2010).

Von 2007 bis 2014 habe ich zusammen mit meinen Kolle­ginnen in Bernkastel-Kues die Serie von Präsenz-Fortbildungen „Neurologie in der Sprach­therapie, Bausteine zum kompe­tenten Handeln“ durchgeführt. Für unsere Seminare bekam man damals einen Punkt für 45 Minuten Fortbildung. Meine jetzigen Fort­bildungen sind zum Teil ergänzte und verbesserte Versionen dieser Präsenz-Seminare. Dieses Jahr muss ich jedoch 90 Minuten leisten und meine Teil­nehmer müssen 90 Minuten bezahlen für denselben Punkt, nur weil wir sie online gemacht haben. Das ist unfair für mich und unfair für die Teilnehmer. Diese Regelung diskri­miniert Eltern mit kleinen Kindern und allein­erziehende Eltern­teile (die am Wochenende nicht ohne die Kinder wegfahren dürfen). Junge Kolleginnen und neue Praxis­gründer können auf Grund ihrer finanziellen Lage an weniger Fort­bildungen teilnehmen.

Ich glaube nicht, dass diese weit­reichenden Konse­quenzen bedacht wurden, als Anhang 4 des Vertrages zwischen dem GKV-Spitzen­verband und den Verbänden der Sprach­therapeuten zu Stande kam. Ich glaube auch nicht, dass die Verbände jemanden (wirklich) schädigen wollten. Es ist aber nun der Fall, und ich hoffe, dass Anhang 4 bald geändert wird. Eine Fort­bildungs­maßnahme sollte genehmigt werden oder nicht. Klar ist aber, dass niemand es verdient hat, die halbe Belohnung für die ganze Leistung zu bekommen.

(wirklich)